„Shitstorm“: OGH legt „Solidarhaftung“ fest

In einer aktuellen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH) vom 26. April zu GZ 6 Ob 210 / 23k hat der OGH erstmals zum Thema Haftung für sogenannte Shitstorms Stellung bezogen und den Begriff an sich definiert. Anlass dazu war, dass hunderte Personen Postings in sozialen Netzwerken veröffentlicht bzw. geteilt haben, die einem Polizisten rechtswidriges Vorgehen vorgeworfen haben.

Ein „Shitstorm“ wird in der Entscheidung als ein „Sturm der Entrüstung im virtuellen Raum mit zum Teil beleidigenden Aussagen gegenüber einer Person“ beschrieben. Ein weiteres Kriterium ist das Zusammenwirken von vielen Menschen. Dafür entwirft der OGH den Begriff der „massenhaften Empörung“. Diese ist erst ab einer „für den Betroffenen nicht mehr exakt erfassbaren Menge an Teilnehmenden“ gegeben. Abschließend erklärt der OGH, dass genau in einer solchen „geballten Wucht“, von der der Betroffene „hagelartig“ angegriffen wird, die besondere Gefahr des Shitstorms liegt.

Aus diesem Gedanken heraus stellt der OGH fest, dass die hierfür die einzige logische Haftungsform die sogenannte „Solidarhaftung“ ist. Diese wird dadurch definiert, dass der eingetretene Schaden nicht mehr klar einem einzelnen Schädigenden zuzuordnen ist. Die Folge davon ist, dass jeder Schädigende für den gesamten Schaden haftet und darauf geklagt werden kann.

Das Gegenmodell hierzu wäre, dass jeder der Täter nur für den von ihm verursachten Schaden haftet. Dies verlangt aber, zusätzlich zur Zuordnung, auch eine lineare Schadensteigerung, also dass der Schaden pro Person nur um den direkt verursachten Schaden durch die Person steigt. Auch das ist im Fall eines Shitstorms laut OGH nicht gegeben, da gerade die Wechselwirkungen zwischen den unterschiedlichen Online-Beiträgen und die dadurch entstehenden Kausalketten den tatsächlichen „Gesamtschaden“ darstellen.

Eine Ausnahme stellt aber der „bloß minimale Tatbeitrag“, dessen Schaden „geringfügig oder gleich Null“ ist, dar. Als Beispiel wird das „Fehlen einer unmittelbaren physischen Beteiligung an der schadenstiftenden Handlung“ gesehen. Darunter fallen zum Beispiel gewisse Demonstrationshandlungen. Jedenfalls nicht darunter fällt aber vorsätzliches und gemeinschaftliches Handeln. Der OGH stellt fest, dass die Online-Beiträge in diesem Fall nicht bloß als „unmerklich“ einzustufen sind.

Somit ist klargestellt, dass bei einem Shitstorm grundsätzlich jeder Beteiligte auf die volle Summe des Schadens geklagt werden kann. Es ist also nicht Aufgabe des Geschädigten, den Schaden anteilig bei jedem einzelnen Beteiligten zu fordern. Der Geschädigte hat die Wahl, wo er den Schaden möglichst erfolgreich einfordert. Der Regress bleibt das Problem des zahlenden Schädigenden.

In dieser Entscheidung wird aber weiters klargestellt, dass für den Geschädigten nur ein „Gesamtschaden“ entstehen kann, der eben dann schon beglichen ist, wenn er durch einzelne Beteiligte (anteilig) bezahlt wurde. Wenn dieser „Gesamtschaden“ beglichen ist, steht dem Geschädigten kein weiterer Betrag mehr zu, auch wenn einzelne Beteiligte noch nicht bezahlt haben. Vorsicht also bei der Beteiligung an solchen „Shitstorm“. Im Zweifelsfall eher:  Finger weg vom Button „Teilen“!!!

Sollten Sie noch Fragen zu diesem Thema haben oder gar selbst Betroffener eines Shitstorms sein, steht unsere Kanzlei Ihnen gerne mit fachkundiger Beratung zur Seite.